Werkzeug aus dem 3D-Drucker?Additive Werkzeugfertigung als Versuchsprojekt bei Solidtec

Für die Herstellung von Kunststoffteilen stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Im Kleinserienspritzguss setzen wir auf Werkzeuge aus Aluminium, mit denen die Fertigung von Hunderten bis Zehntausenden Kunststoffteilen möglich ist. Für die flexible und schnelle Fertigung einer geringen Anzahl von Kunststoffteilen oder Kunststoffprototypen kann sich die additive Fertigung mittels 3D Druck eignen.

Doch was passiert, wenn man beides miteinander kombiniert? 3D-gedruckte Formeinsätze werden heiß diskutiert. Fast klingt es zu schön, um wahr zu sein: statt hoher initialer Herstellungskosten für ein Aluminium-Werkzeug muss bloß der passende Formeinsatz im 3D Drucker gefertigt werden, schon kann es an die günstige Fertigung der Kunststoffteile gehen. Funktioniert das wirklich? Wie rentabel kann die Herstellung von Kunststoffteilen mit einem Werkzeug aus dem 3D-Drucker sein?

Diese Frage hat uns so sehr beschäftigt, dass wir ein Versuchsprojekt realisiert haben. Am Beispiel einer Lageraufnahme für die Tasche Knapsack wollten wir ganz konkret in Erfahrung bringen, welches Verfahren das effizienteste ist: der Kleinserienspritzguss mit Aluminium-Werkzeugen? Kunststoffteile aus dem 3D-Drucker? Oder "das Beste" aus beiden Welten, die Fertigung mit einem Werkzeug, das im 3D-Drucker hergestellt wurde?


Verfahren für Kunststoffteile im finanziellen Vergleich

In unserem Feldversuch wollten wir es genau wissen: Welches Verfahren kostet wie viel? Ab welcher Teilemenge ist die Fertigung im 3D Drucker sinnvoll? Spart die Herstellung eines Werkzeugs aus dem 3D Drucker Kosten und Zeit? Für welche Zwecke ist der Kleinserienspritzguss mit konventionellen Werkzeugeinsätzen aus Aluminium relevant?



Verfahren für Kunststoffteile im technischen Vergleich

Erkenntnisse aus Herstellung und Bearbeitung der SLA-Einsätze

  • Die Ausrichtung des Einsatzes im 3D Drucker ist von hoher Bedeutung, z. B. bei der Ebenheit der Einsätze.
  • Die Einsätze müssen nachgetempert werden. Hierbei besteht Verzugsgefahr!
  • Bisweilen lieferte der Accura HPC-Werkstoff die besten Ergebnisse bezüglich Oberflächenhärte, Genauigkeit und thermischer Belastbarkeit. Schwierigkeiten entstehen bei der Nachbearbeitung. Als Werkzeuge sind ausschließlich hochwertige Diamantfeilen geeignet. Eine Nassbearbeitung ist nicht möglich, da das Material bei Wasserkontakt „quillt“. 
  • Die Kontur der SLA-Einsätze muss sehr präzise sein, um problemlos in den Formrahmen eingesetzt werden und ein sauberes Touchierbild gewährleisten zu können.
  • Die Kantenstabilität des Kunststoffeinsatzes ist nicht so hoch wie die eines Aluminiumeinsatzes.
  • Das additiv gefertigte Werkzeug ist nach dem Druckvorgang noch nicht fertig. 

Spritzgießen mit 3D gedruckten Werkzeugeinsätzen

  • Die Verarbeitung von Originalmaterialien ist mit Einschränkungen möglich.
  • Es sollten Werkstoffe zum Einsatz kommen, die mit geringen Spritzdrücken verarbeitet werden können und keine hohen Verarbeitungstemperaturen erfordern, z. B. PP, PE, ABS, ASA, POM etc.
  • Die Kontur des Bauteils sollte eher "einfach" und nicht komplex sein. Um bruchgefährdete bewegliche Werkzeugelemente zu vermeiden, werden einfache "Auf-/Zu-Werkzeuge" benötigt.
  • Der Spritzgussprozess muss meist an den Werkzeugwerkstoff angepasst werden – nicht in erster Instanz an den zu verarbeitenden Spritzguss-Kunststoff! 
    • Bei überwiegend geringen Spritz- und Nachdrücken muss davon ausgegangen werden, dass die vollen mechanischen Festigkeitswerte der Materialien nicht erreicht werden. 
    • Die erforderlichen langen Kühlzeiten können dazu führen, dass das Thermoplast in dieser langen Verweilzeit in der Schnecke der Spritzgussmaschine degeneriert. 
  • Die maximale Ausbringungsmenge ist gegenüber Aluminium-Werkzeugeinsätzen sehr stark limitiert (~ 100 Schuss).

Wie gut eignen Werkzeuge aus dem 3D Drucker für den Kunststoff-Spritzguss?

In unserem Feldversuch hat sich herausgestellt: Die Produktion von Kunststoffteilen mit einem additiv gefertigten Werkzeugeinsatz kann für gewisse Ansprüche und wenige Teile die richtige Lösung sein. Die mögliche Verwendung von Originalmaterialien ist insbesondere im Vergleich zu additiv gefertigten Kunststoffteilen aus dem 3D Drucker ein großer Pluspunkt. 

Im Vergleich zum herkömmlichen Kleinserienspritzguss mit Aluminium-Werkzeugen zeigen sich hingegen deutliche Nachteile:

  • deutlich längere Produktionszeit pro Kunststoffteil
  • Anfahren mit 50-70 Bauteilen nötig, die nicht verwendet werden können
  • nach dem Anfahren ist es möglich, dass das 3D Druck Werkzeug bereits nicht mehr verwendet werden kann
  • deutlich kürzere Einsatzzeit des 3D Druck Werkzeugs
  • praktisch keine Rentabilität durch gleich hohe Initialkosten und Fertigungszeiten

In unserem Versuch lag der Break even bei 1.250 Bauteilen. Ab dieser Teilemenge war der Kleinserienspritzguss mit Alu-Werkzeugen rentabler als die additive Fertigung im 3D Druck.

Der Werkzeugeinsatz aus dem 3D Drucker war bereits nach ca. 60 Teilen nicht mehr zu gebrauchen – und das bei fast identischen Kosten und Fertigungszeiten im Vergleich zum Alu-Werkzeug. Wirtschaftlich konnte also kein Break even mit dem 3D-Werkzeugeinsatz erreicht werden.

Deshalb lohnt es sich unserer Erfahrung nach, direkt auf die Produktion von Spritzgussteilen mit Alu-Werkzeugen zu setzen. Denn das Alu-Werkzeug hielt deutlich länger stand als der Formeinsatz aus dem 3D Drucker. Bei diesem bedarf es nach seiner Herstellung noch vieler weiteren Schritte, um ihn zu einem funktionsfähigen Werkzeug umzubauen.


Möchten Sie wissen, ob sich für die Realisierung Ihres Projektes ein Werkzeug aus dem 3D Drucker lohnt, Sie auf den Kleinserienspritzguss mit konventionellen Alu-Werkzeugen setzen sollten oder die additive Fertigung infrage kommt? Sprechen Sie uns an!

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